Berliner Mietendeckel – Was steckt dahinter?
Deckel drauf - und wieder ab
Berlin ist sehr beliebt und das führt auf Dauer zu einem grundlegenden Problem. Der vorhandene Wohnraum ist knapp und die Mieten werden immer teurer. Dem Berliner Senat ging die 2015 beschlossene Mietpreisbremse nicht weit genug, er erarbeitete im Alleingang ein Landesgesetz und wollte damit gegen steigende Mieten und Wohnungsnot vorgehen.

Am 30. Januar 2020 wurde der sogenannte „Mietendeckel“ beschlossen. Doch dieser Ansatz stand von Anfang an in der Kritik. Erfahren Sie, warum der Beschluss nun gekippt wurde und was das für die betroffenen Mieter*innen bedeutet.
Berliner Mietendeckel verstößt gegen das Grundgesetz und ist nichtig
Der Berliner Mietendeckel verstößt gegen das Grundgesetz. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor, die am Morgen des 15.04.2021 veröffentlicht wurde. Mit dem bereits am 25. März gefassten Beschluss hat der Zweite Senat das Berliner Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen für „mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt“, wie es in einer Mitteilung des Gerichts heißt.
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann, fallen nach Ansicht des Gerichts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. „Die Länder sind nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat“, erklärten die Verfassungsrichter.
Das Land Berlin habe nach der 2015 durch den Bund beschlossenen Mietpreisbremse keine Gesetzgebungskompetenz. Da der Bund als Gesetzgeber das Mietpreisrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bereits abschließend geregelt habe, sei aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das Mietendeckelgesetz in Berlin ebenfalls die Miethöhe regele, „ist es insgesamt nichtig“. – schreibt der Tagesspiegel. Der eigentliche Gesetzesinhalt blieb dabei jedoch unberücksichtigt.
Im Grunde wurde nun ein Streit um die Zuständigkeit von Bund und Ländern und die Wirksamkeit bereits bestehender Regelungen beendet. Die Kompetenz für Mietrecht lag bereits beim Bund und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Kritiker zweifelten schon zu Beginn an, dass das Land Berlin hier überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz im Alleingang hatte. Der Berliner Senat hatte stets argumentiert, beim Mietendeckel handle es sich um eine Regelung des Öffentlichen Rechts, die mit dem Mietrecht nichts zu tun habe. Die Zuständigkeit und die Frage nach der Verfassungswidrigkeit wurde nun also abschließend von höchster Instanz entschieden – und die Mieten können ab sofort wieder deutlich steigen, es drohen erhebliche Nachzahlungen.
Was genau war geplant?
Mit dem „Berliner Mietengesetz“ sollte der Anstieg der Mieten gebremst und der Mietmarkt somit, zumindest vorübergehend, entlastet werden. Geplant war ein gesetzlich angeordneter Aufschub für Mietsteigerungen, ein sogenanntes Mietenmoratorium. Das bedeutet: in bestehenden Mietverhältnissen durfte die Miete fünf Jahre lang nicht erhöht werden, Stichtag hierzu war der 18. Juni 2019. Alle Mieterhöhungen nach diesem Stichtag mussten rückwirkend zurück genommen werden. Auch bei Staffelmieten galt die neue Regelung.
Zusätzlich wurde eine allgemein gültige Mietobergrenze definiert, diese lag bei maximal 9,80 Euro Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter. Die jeweiligen Obergrenzen richteten sich nach Baujahr und Ausstattung des Wohngebäudes (siehe Tabelle unten). Auch Mieten, die bereits am 18.06.2019 mehr als 20% über der geltende Obergrenze lagen, mussten gesenkt werden. Bei Neuvermietungen durfte höchstens die Miete angesetzt werden, die der vorherige Mieter zuletzt bezahlt hatte. Zu den weiteren wesentlichen Regelungen gehörten Mietabsenkungen und die Begrenzung der Modernisierungsumlage. Vom Mietendeckel ausgenommen waren Neubauwohnungen. Dabei handelte es sich um Wohnungen, die nach ihrer Errichtung zum ersten Mal ab 01.01.2014 bezogen wurden. In diesen Fällen konnten weiterhin die Mieten verlangt werden, die der Markt her gab.
Mietentabelle zum Mietendeckel
BAUJAHR UND AUSSTATTUNG |
OBERGRENZE € / m² |
bis 1918 mit Sammelheizung und Bad | 6,45 |
bis 1918 mit Sammelheizung oder Bad | 5,00 |
bis 1918 ohne Sammelheizung und Bad | 3,92 |
1919 bis 1949 mit Sammelheizung und Bad | 6,27 |
1919 bis 1949 mit Sammelheizung oder Bad | 5,22 |
1919 bis 1949 ohne Sammelheizung und Bad | 4,59 |
1950 bis 1964 mit Sammelheizung und Bad | 6,08 |
1950 bis 1964 mit Sammelheizung oder Bad | 5,62 |
1965 bis 1972 mit Sammelheizung und Bad | 5,95 |
1973 bis 1990 mit Sammelheizung und Bad | 6,04 |
1991 bis 2002 mit Sammelheizung und Bad | 8,13 |
2003 bis 2013 mit Sammelheizung und Bad | 9,80 |
Wie lange galt der Mietendeckel?
Nach dem Beschluss des Berliner Senats wurde bis Ende August 2019 ein Gesetzesentwurf erarbeitet, der dann in das parlamentarische Verfahren ging. Am 30.01.2020 wurde der Berliner Mietendeckel, genauer: das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (kurz: MietenWoG Bln) beschlossen und war ursprünglich auf 5 Jahre befristet. Das Gesetz trat am 23. Februar 2020 vorübergehend in Kraft und Vermieter mussten unaufgefordert die Mieten entsprechend anpassen und ihre Mieter informieren. Seit gut einem Jahr waren die Mieten für rund 1,5 Mio. Berliner Wohnungen nun eingefroren. Am 23. November 2020 trat die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft und die zu hohen Mieten mussten gesenkt werden. Viele Vermieter ahnten bereits, dass das Gesetz wieder gekippt werden könnte und baten ihre Mieter darum, die Einsparungen zur Seite zu legen – für den Fall einer Nachzahlung. Mieter, die vom Mietendeckel durch niedrigere Mieten profitiert hatten, müssen die nun ausstehenden Mietversäumnisse nachzahlen. Nicht alle hielten sich an den Ratschlag. Laut einer Umfrage haben knapp 60% das Geld nicht zurückgelegt, viele benötigten das zusätzliche Geld während der Corona-Krise. Nun befürchten viele eine Kündigung des Mietvertrages, da sie die Rückforderungsansprüche nicht zahlen können.
Hilfe für betroffene Mieter*innen
Nachdem das Gesetz nun gekippt wurde, müssen die seit 23. Februar 2020 ausstehenden Mietversäumnisse nachgezahlt werden, das sind im Durchschnitt 430 Euro. Es gelten auch wieder die Mieten in vorab vertraglich vereinbarter Höhe. Betroffene Mietende sollten sich nun mit ihren Vermieter*innen in Verbindung setzen, um die Modalitäten einer Nachzahlung zu klären. Denkbar sind zum Beispiel Ratenzahlungen, um die Belastung der Mieter*innen möglichst gering zu halten. Die größten Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen reagierten verschieden. Während Vonovia schon früh bekannt gab, auf die überschüssigen Mieten zu verzichten, falls der Mietendeckel als verfassungswidrig eingestuft wird, hat die Deutsche Wohnen nun individuelle Maßnahmen angekündigt. Sie bietet den Betroffenen sowohl Ratenzahlungen und Stundungen an. Mieter*innen, die staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Asylbewerberleistungen beziehen und nun eine Nachforderung vom Vermietenden erhalten, werden die Aufwendungen als einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung erstattet. Doch Mieter*innen dürfen sich nicht auf ein großzügiges Entgegenkommen verlassen. Laut Mieterverein besteht eine „alsbaldige Rückzahlungspflicht der Differenzbeträge“, innerhalb einer Frist von 14 Tagen, andernfalls kann unter Umständen tatsächlich auch eine fristlos Kündigung drohen. In jedem Bezirk gibt es offene Mieterberatungen, die kostenlos genutzt werden können.
Erleichterung auf Seiten der Eigentümer*innen
Die Mehrheit der Wohnungsbesitzer*innen sind keine Immobilienkonzerne oder Großvermieter. Viele Wohnungen gehören privaten Eigentümer*innen und diese „kleinen Vermieter*innen“ müssen, genau wie Mieter*innen, vor finanzieller Not, die aus der Wohnung resultiert, geschützt werden. Viele dieser Eigentümer*innen haben die Abbezahlung ihres Kredites mit den zu erwartenden Mieteinnahmen kalkuliert, einige konnten ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Diese können nach dem gekippten Beschluss nun wieder aufatmen.
Größeres Angebot statt Regulierung
Der Mietendeckel ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht, kritisierte vor allem die Wohnungswirtschaft. Auch städtische Wohnungsunternehmen und sogar Genossenschaften übten Kritik an dem Modell. Hier würde die Grundlage für moderate und vertretbare Mieterhöhungen genommen. Was somit Sanierungen und Neubau bremst oder sogar verhindert. Das hat der Berliner Mietendeckel verdeutlicht. Eine Deckelung der Mieten hatte direkten Einfluss auf die Entwicklungen am Wohnungsmarkt. Der Erwerb oder Neubau von Immobilien, die man durch Vermietung dem Wohnungsmarkt zuführen wollte, wurde unattraktiv.
Doch was ist die Lösung? Sicher keine weitere Regulierung am Wohnungsmarkt. Das Problem liegt im vorhandenen Angebot. Die Nachfrage ist hoch und das Angebot an bezahlbarem Wohnraum ist knapp. Nur durch das Bauen von neuem Wohnraum und die Verdichtung vorhandener Flächen kann sich die Lage entspannen. Doch auch das Bauen wird zunehmend unattraktiv. Denn Bauen ist ein langwieriges und teures Verfahren. Zahlreiche Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren verlangsamen den Prozess. Eine Lösung wäre eine Reform der Baugesetze und Vorschriften. Denn wenn mehr und günstiger gebaut wird, können auch günstigere Mieten angeboten werden.
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Aktuell wird viel über die verschiedensten Instrumente zur Entlastung des Wohnungsmarktes diskutiert. Steigende Mieten, Rückzahlungen,… Es kann eine Herausforderung sein, hier den Überblick zu behalten. In unserer täglichen Arbeit beraten wir Käufer und Verkäufer, Mieter und Vermieter bei Fragen rund um das Thema Immobilien. Haben Sie Fragen? Zögern Sie nicht und rufen Sie uns an. Wir beraten Sie gern und unverbindlich.
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